01. Mai 2022
Geschätzte Lesezeit: 3 min.

Insolvenzschutz und die Folgen für die betriebliche Altersversorgung des Arbeitnehmers (bAV)

Was für den Arbeitnehmern wie ein schlechter Scherz rüber kommen muss, so hat die "spätere" Pfändung auch Auswirkungen auf die Tätigkeit des Insolvenzverwalters.

Regelungen des Betriebsrentenrechts treffen regelmäßig „in Wettstreit“ mit denen des Insolvenzrechts.

Insolvenzschutz und die Folgen für die betriebliche Altersversorgung (bAV)

In seinen bisherigen höchstrichterlichen Urteilen verweist der BGH grundsätzlich auf zwei maßgebliche Faktoren:

  1. die versicherungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers – im Regelfall ist er oder sie „versicherte Person“ und nicht Versicherungsnehmer*in
  2. den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt, zu dem rechtlich ein Anspruch auf spätere Leistungen aus dem Vertrag entstehen – liegt dieser vor oder nach Beendigung des Insolvenzverfahrens?

Begehrt ein Gläubiger die Pfändung einer Direktversicherung, so ist der Zugriff zunächst einmal verwehrt, weil der Arbeitnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls – hier die Auszahlung einer Ablaufleistung oder Rente – lediglich eine Anwartschaft auf diese zukünftige Leistung besitzt. Diese Anwartschaft kann im Sinne des Vorsorgegedankens vorher jedoch nicht abgetreten und auch nicht beliehen werden und ist somit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens auch nicht pfändbar. Dies gilt jedoch nicht automatisch auch für die zu einem späteren Zeitpunkt bezogenen Leistungen.

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Entscheidend: Besteht bereits ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf bis zum Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens erworbene Anwartschaften aus der bAV?

Wird diese Frage mit „Ja“ beantwortet, hat ein Gläubiger ein Pfandrecht auf den Teil der zukünftigen Ablaufleistung, für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens ein unwiderrufliches Bezugsrecht bestand.

In der Praxis bedeutet dies für den Insolvenzverwalter, dass er Versicherungsverträge zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) nach folgenden Kriterien überprüfen muss:

  • Ist der Verbraucher versicherte Person und (hinsichtlich der späteren Ablaufleistung) bezugsberechtigte Person? Bei Versicherungen, die als sog. „Gehaltsumwandlung“ eingerichtet sind, ist dies unmittelbar ab Vertragsbeginn erfüllt, bei sog. „arbeitgeberfinanzierten“ Versorgungen tritt das Bezugsrecht in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft (Informationen hierüber enthält die Versorgungsordnung des Arbeitgebers und/oder eine mit dem Arbeitnehmer getroffene arbeitsvertragliche Regelung, z.B. Entgeltumwandlungsvereinbarung).
  • Wie hoch ist bei einem Vertrag mit unwiderruflichem Bezugsrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers die zum Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erworbene Anwartschaft? Eine auf diesen Stichtag ermittelte (beitragsfreie) Versicherungsleistung oder Rückkaufswert ist als Anspruch titulierbar, kann jedoch mit aufschiebender Wirkung erst zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls auf die Todes- oder Erlebensfallleistung eingefordert werden.

Der Insolvenzverwalter muss also ermitteln, was als Rückkaufswert oder Versicherungsleistung zur Beendigung des Insolvenzverfahrens zu erlösen wäre. Nur auf diesen Teil einer späteren Ablaufleistung kann das Pfandrecht ausgeübt werden. Die tatsächliche Geltendmachung der Forderung muss demnach bis zum Zeitpunkt des Vertragsendes aufgeschoben werden.

Diese Regelungen gelten vom Grundsatz her in gleicher Weise auch bei Insolvenz des Arbeitgebers. Über die Besonderheiten dieser Betrachtungsebene werden wir zu einem späteren Zeitpunkt berichten.

*: (BGH-Urteile VII ZB 16/08 vom 23.10.2008; IVV ZB 87/09 vom 11.11.2010; IX ZB 8/17 vom 20.12.2018)