15. Februar 2023
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BGH: Insolvenzverwalter haben kein Recht, Ansprüche auf D&O-Versicherungsschutz für die versicherte Person gegenüber dem Versicherer zu erheben, wenn AVB nur versicherten Personen eine Verfügungsbefugnis gewährt.

Rechtsanwältin Karin Baumeier LL.M.: Trotzdem müssen Insolvenzverwalter vor Ausübung ihres Wahlrechts gemäß § 103 InsO prüfen, ob und wann im Falle der Nichterfüllung der D&O-Versicherungsschutz entfällt. Ansonsten können sich Insolvenzverwalter gegenüber den Gläubigern selbst schadensersatzpflichtig machen.

BGH-Urteil zur Verfügungsbefugnis – Handlungsempfehlungen für Insolvenzverwalter

Das Urteil des BGH vom 04.03.2020 (Az. IV ZR 110/19) ist für Insolvenzverwalter von erheblicher Bedeutung. Der BGH hat entschieden, dass Insolvenzverwalter kein Recht haben, Versicherungsschutz für die versicherte Person aus einer D&O-Versicherung gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, wenn die Versicherungbedingungen regeln, dass es nur den versicherten Personen zustehe, Ansprüche auf Versicherungsschutz geltend zu machen.

Die D&O-Versicherung ist eine Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 43 ff. VVG.

Bei einer Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherten zu. Verfügungsbefugt ist gemäß § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG jedoch grundsätzlich der Versicherungsnehmer. Im Falle einer Insolvenz des Versicherungsnehmers geht dieses Recht gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers über. Es handelt sich hierbei um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft (BGH, Urteil vom 04.03.2020, Az.: IV ZR 110/19, Rn. 10).

1. Regelung über Verfügungsbefugnis in den AVB

Von entscheidender Bedeutung für die Frage, wem die Verfügungsbefugnis zur Geltendmachung von Versicherungsansprüchen zusteht, ist, ob es in den anzuwendenden D&O-Versicherungsbedingungen eine Klausel gibt, die regelt, dass nur versicherte Personen Ansprüche auf Versicherungsschutz geltend machen können.

Die meisten D&O-Bedingungen enthalten eine entsprechende Regelung.

Damit wird nach Auffassung des BGH die gesetzliche Regelung der §§ 44, 45 VVG abbedungen. Somit können ausschließlich versicherte Personen gegenüber dem Versicherer Ansprüche auf Versicherungsschutz erheben.

Der Insolvenzverwalter hat wegen der fehlenden Verfügungsbefugnis kein Recht, selbst Ansprüche auf Versicherungsschutz für die versicherte Person gegenüber dem Versicherer zu erheben. Das Wahlrecht nach § 103 InsO spielt hier keine Rolle. § 103 InsO wäre bei Anspruchserhebung auf Versicherungsschutz erst bei einer Privatinsolvenz der versicherten Person wieder relevant.

2. Wahlrecht über Bestand und Dauer des Versicherungsschutzes

Auch wenn nach dem BGH nur die versicherte Person Ansprüche auf Versicherungsschutz geltend machen kann, wenn es eine entsprechende AVB-Regelung gibt, ist damit noch nicht gesagt, ob überhaupt Versicherungsschutz besteht.

Ob Versicherungsschutz besteht, hängt von den Versicherungsbedingungen sowie von den Umständen des Einzelfalls ab.

Insolvenzverwalter sollten bei Kenntnis über eine D&O-Versicherung prüfen,

  • ob der D&O-Vertrag durch Erfüllungswahl überhaupt fortgeführt werden kann oder aufgrund der Insolvenz automatisch endet;
  • ob nach Beendigung des Vertrages die Nachmeldefrist aufgrund der Insolvenz entfällt;
  • ob die Nachmeldefrist bei einer Kündigung des Versicherers wegen Prämienzahlungsverzugs entfällt.

Insolvenzverwalter haben zwar gegenüber Unternehmensleitern keine Pflicht, den D&O-Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten (BGH, Beschluss vom 14.04.2016, Az: IX ZR 161/15). Sie können sich jedoch selbst gegenüber den Gläubigern der Insolvenzschuldnerin schadenersatzpflichtig machen, wenn ein an sich gedeckter Anspruch nicht vollständig zur Masse gezogen werden kann, weil das Vermögen der versicherten Person zur vollständigen Befriedigung der Ansprüche nicht ausreicht.

Solange Haftungsansprüche gegen Unternehmensleiter im Raum stehen, sollten Insolvenzverwalter vor ihrer Entscheidung zur Nichterfüllung dringend prüfen, welche Auswirkungen eine Nichtzahlung der Prämie auf die D&O-Versicherung hat, insbesondere auf die sogenannte Nachmeldefrist. Je nach Bedingungswerk können Insolvenzverwalter durch die Wahl der Nichterfüllung den Versicherungsschutz für die versicherte Person gefährden bzw. verlieren, wenn dieser später eine versicherte Person auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.

Die D&O schützt Unternehmensleiter vor der Privatinsolvenz. Nur diese Versicherung ist bei begründeten Schadensersatzansprüchen im Rahmen der Bedingungen ein zuverlässiger solventer Zahler.

Karin Baumeier, LL.M. Rechtsanwältin

Kanzlei Baumeier

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Mail: k.baumeier(at)kanzlei-baumeier.de

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