Der folgende Praxisfall verdeutlicht, warum der Insolvenzverwalter die Versicherungsbedingungen stets prüfen lassen sollte. Letztlich enthaftet sich der Insolvenzverwalter gegenüber seinen Gläubigern und sichert die Masse.
Am 14.08.2019 erhielten wir von einem Insolvenzverwalter den Auftrag im Verfahren einer Metallbaufirma ihn zu unterstützen. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren wurde bereits gestellt. Die relevanten Versicherungspolicen u.a. die Versicherungspolice zur Betriebshaftpflichtversicherung wurden zur Verfügung gestellt. Es galt, einen vorläufigen Versicherungsschutz zur Betriebshaftpflichtversicherung für eine Metallbaufirma sicherzustellen, da der bisherige Versicherer die Deckung wegen Nichtzahlung der Versicherungsprämie bereits gekündigt hat. Mit Datum vom 14.08.2019 wurde der vorläufige Versicherungsschutz gemäß des bisherigen Vertragsstandes beantragt.
Im Rahmen einer Betriebsbegehung wurde im Gespräch mit den Verantwortlichen die genaue Betriebstätigkeit hinterfragt. Dabei stellte sich heraus, dass das Unternehmen zu 95 % reine Lohnbe- und -verarbeitung durchführt. Grundsätzlich keine Aussage hinter der Gefahrenpotential vermutet werden könnte. Es ist jedoch komplizierter:
Denn Schäden durch Lohnbe- und -verarbeitung sind nicht automatisch in einer Betriebshaftpflicht mitversichert. Nach Sichtung der Versicherungsunterlagen des Schuldners musste festgestellt werden, das Lohnbe- und -verarbeitungsschäden nicht mitversichert waren. Diese wesentliche Klausel konnte kurzfristig ab dem 16.08.2019 mit in den vorläufigen Versicherungsschutz eingeschlossen werden.
Exkurs: Lohnbe- und -verarbeitung
Betriebe mit einem vielseitigen Maschinenpark bieten im Rahmen der Lohnbe- und verarbeitung anderen Unternehmen oft umfangreiche Möglichkeiten zur Herstellung und Bearbeitung von Bau-, Ersatzteilen oder Ähnlichem an. Die Auftraggeber stellen dabei häufig das Material oder entsprechende Vorprodukte. Vom lohnbe- und verarbeitenden Betrieb wird höchste Präzision und Qualität erwartet. Schnell kann bei kleinsten Ungenauigkeiten ein hoher Schaden eintreten. Diese Schäden werden in der Regel als Tätigkeitsschäden aus Lohnbe- und verarbeitung während des unmittelbaren Bearbeitungsvorgangs eingestuft. Ohne besondere Beantragung dieser Tätigkeiten besteht bei den meisten Versicherern kein Versicherungsschutz.
Nicht versicherter Betriebshaftpflichtschaden?
Frei nach Murphys Gesetz, kam es in dem Betrieb zu einem Betriebshaftpflichtschaden. Das Insolvenzschuldnerunternehmen bearbeitete vom 08.08.2019 bis 19.09.2019 insgesamt 310 Zylinderböden für seinen Auftraggeber. (Hinweis: vorläufiger Versicherungsschutz inklusive der Lohnbe- und -verarbeitung wurde erst am 16.08.2019 beantragt) Auftragsgegenstand war die mechanische Bearbeitung der zur Verfügung gestellten Zylinderböden. Nach Lieferung der bearbeiteten Teile durch den Insolvenzschuldner, bemängelte der Auftraggeber am 30.10.2019 alle 310 Zylinderböden. Diese hatten alle denselben Fehler und somit waren alle 310 Zylinderböden unbrauchbar und mussten entsorgt werden - Schadenshöhe ca. 21.000 €.
Nach Meldung des Schadensfalls an den Versicherer, lehnte dieser den Schadenfall mit folgender Begründung ab.
„Es gelten mehrere eintretende Versicherungsfälle als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese auf derselben Ursache, auf gleichen Ursachen mit innerem, insbesondere sachlichem oder zeitlichem Zusammenhang oder auf dem Austausch, der Übermittlung oder Bereitstellung elektronischer Daten mit gleichem Mängeln beruhen. Die Bearbeitung der ersten Zylinderböden erfolgte ab dem 08.08.2019.“
Mit der Ablehnung des Schadens durch den Versicherer haben wir uns als Versicherungsmakler nicht zufrieden gestellt. Der Versicherer hat bei seiner Ablehnung ein ganz wichtiges Detail außer Acht gelassen.
Und zwar heißt es in den Bedingungen zum Serienschaden:
„Es gelten mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle als ein Versicherungsfall, der im Zeitpunkt des ersten dieser Versicherungsfälle eingetreten ist, wenn diese
beruhen.
Ein Schelm wer böses dabei denkt.
Die komplette Ablehnung des Schadens war demnach falsch! Natürlich bestand für die vor Versicherungsbeginn bearbeiteten Teile (08.08. – 15.08.2019) kein Versicherungsschutz. Wohl aber für die Teile die nach Versicherungsbeginn (16.08. – 19.09.2019) bearbeitet wurden. Im Ergebnis konnten wir erreichen, dass der Versicherer ca. 18.000 € der Schadenkosten übernehmen musste.
Fazit:
Nehmen Sie die Ablehnung eines Schadens durch einen Versicherer nicht ohne Weiteres hin. Prüfen Sie die dazugehörigen Versicherungsbedingungen. Besser noch: Binden Sie einen Versicherungsexperten gleich bei der Antragstellung mit ein. Er prüft den Versicherungsbedarf und kümmert sich im Schadenfall um eine reibungslose Abwicklung. Im Ergebnis enthaften Sie sich bzw. sichern, wie im obigen Beispiel, sogar die Masse.
Seit mehr als 25 Jahre bin ich im Versicherungsvertrieb tätig. Bis 2006 arbeitete ich in der Ausschließlichkeit überwiegend im Personenversicherungsbereich. Nachdem ich aus Überzeugung zu einem Versicherungsmaklerhaus in 2007 wechselte, änderte sich mein Tätigkeitsfeld. Als Gewerbe- und Industrieversicherungsmakler konzentrierte ich mich seitdem auf das Kompositgeschäft. Da die Anforderungen an einen Versicherungsmakler immer weiter wachsen, habe ich mich entschieden in 2013 die Prüfung zum technischen Underwriter-, (DVA) und in 2016 zum Haftpflicht Underwriter (DVA) abzulegen.
Seit mehr als 10 Jahren liegt unser Fokus auf die Kernzielgruppe der Insolvenzverwalter. Den Insolvenzverwaltern wie auch den Sachwaltern und Sanierungsberatern wollen wir mit nützlichen Tipps in ihrer Arbeit unterstützen. Wir begleiten das Insolvenzschuldnerunternehmen in Versicherungsfragen,wenn möglich auch über die Insolvenz hinaus.